15.09.2003

„Erfahrungen aus dem Einsatz am Beispiel der MNB (SW)” - 6. deutsches Einsatzkontingent KFOR (Dezember 2002 - Juni 2003)

Vortragene(r):

Thomas Schellhase

Oberstleutnant i.G.

G4 Op2 10. Panzerdivision

Ort: Gemeindehaus „Schwarzer Ritter”, St. Fidelis, Sigmaringen

Oberstleutnant i.G. Thomas Schellhase war vom 03. Dezember 2002 bis 06. Juni 2003 als Military Assistent des Chefs des Stabes der Multinationalen Brigade Südwest in Prizren/Kosovo stationiert. Bei der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik in Sigmaringen hielt er kürzlich einen Vortrag zum Thema „Die erweiterten Aufgaben der Bundeswehr”, wobei es vor allem um seine Erfahrungen aus dem KFOR-Einsatz mit dem 6. Kontingent ging.

‘KFOR’, das steht für Kosovo und damit für ein Land auf dem Balkan, das sich seit dem Kriegsende im Spannungsfeld zwischen der modernen, westlich geprägten Zivilisation und der traditionellen Lebensweise befindet. „Das Ziel, das die Bundeswehr im Kosovo verfolgt, ist klar”, betonte Schellhase. Es gehe vor allem um die Schaffung eines gefahrlosen Umfelds für die Rückkehr der Flüchdinge, das Verhindern von Feindseligkeiten zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen und den Aufbau einer Infrastruktur, die den Menschen eine Perspektive für eine Zukunft ohne Gewalt biete.

Keine leichte Aufgabe in einer Region, in der der Alltag bei oberflächlicher Betrachtung nahezu ‘normal’ aussieht. Schellhase: „Aber es regiert der Schmuggel, überall liegen noch Minen und Blindgänger, es wird immer wieder geschossen, illegale Grenzübertritte sind die Regel und dann gibt es noch jede Menge Waffen.” Diese zu finden und zu beschlagnahmen ist auch Aufgabe der Bundeswehr und der anderen Soldaten aus elf Nationen, die die Multinationale Brigade Südwest bilden. In einem Land, wo ein Mann ‘ohne Knarre’ kein ganzer Kerl ist, da tut man sich schwer mit der Entwaffnung, obwohl diese eine hohe Priorität genießt. „Attentate laufen im Kosovo mit militärischer Präzision ab”, hat der Oberstleutnant erkannt und dass Menschenhandel und Prostitution an der Tagessordnung sind, das macht die Arbeit der Soldaten nicht gerade einfacher. Trotzdem: „KFOR beherrscht die Straßen.” Das Überwachen der Grenzen, Straßenkontrollen, Kfz-Kontrollstellen und Hausdurchsuchungen zeigen Erfolge. Der Offizer bringt die Arbeitsweise der Bundeswehr auf einen knappen Nenner: „Suchen und Schlagen.” Die KFOR-Truppen seien durchaus in der Lage, den Auftrag, der an das Militär gestellt wird, zu erfüllen, „aber es muss weitergehen”.

Bewusstseinsveränderung ist angesagt und das gilt auch für das Thema Ökologie: „Das Umweltbewusstsein ist im Kosovo nicht sehr ausgeprägt, der Müll ist ein großes Problem”, sagt Schellhase. Man müsse die Abhängigkeit von der KFOR abbauen, sowohl was die Sicherheit als auch die Versorgungslage betrifft und die Kriminalität müsse eingedämmt werden. Effiziente Verwaltungsapparate aufbauen, die Wirtschaft beleben und auch den politischen Status eines zukünftigen Kosovo klären, das sind nach Auffassung von Thomas Schellhase Aufgaben, die man nicht nur der KFOR alleine überlassen dürfe. Ohne einen multiethnischen Dialog, der auch eine Aussöhnung und Entwicklung fördere, sei die Zukunft des Landes nicht zu prognostizieren. „Die Menschen wollen eigentlich eine Gesellschaft nach westlichem Vorbild, aber die Strukturen sind noch von der Macht der Clans geprägt.”

Unübersehbar sei auch der Vormarsch des Islam, wobei die Kosovaren fundamentalistischen Entwicklungen eher skeptisch gegenüber stünden. Über die Situation vor Ort erfahre man derzeit wenig. Wenigstens brauche man derzeit keinen serbischen Angriff zu fürchten. Aber: „Die Menschen im Kosovo brauchen uns noch - noch sehr lange!”

Bericht von Karlheinz Fahlbusch

Oberstleutnant Schellhase