24.03.2004

„Die neue NATO” - Die NATO vor neuen Aufgaben

Vortragene(r):

Dieter Farwick

Brigadegeneral a.D.

Ort: Gemeindehaus „Schwarzer Ritter”, St. Fidelis, Sigmaringen

Die NATO vor weiteren Herausforderungen

Sigmaringen (pew) - „Ich erwarte die NATO im diesem Jahr im Irak”. Mit dieser klaren Aussage umschrieb Dieter Farwick eine der Herausforderungen, die an die NATO in Kürze herangetragen werden.

Farwick, General außer Dienst und ehemaliger stellvertretender Kommandeur der 10. Panzerdivision, sprach zur Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik, Sektion Sigmaringen. Dabei erwies er sich als profunder Kenner der NATO, ihrer Mechanismen und militärpolitischen Ziele ebenso wie als kritischer Begleiter einzelner Entwicklungen im Bündnis in den vergangenen Jahren. Sein Wissen bezieht der ehemalige General aus einer mehrjährigen Verwendung in einem hohen NATO-Stab und aus einer eigenen umfangreichen publizistischen Tätigkeit zu sicherheitspolitischen Themen.

Neue, weltweite Aufgaben

Die Diskussion über einen möglichen Einsatz im Irak ist für ihn logische Konsequenz aus einer grundsätzlichen Umorientierung im Bündnis seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Der damit verbundene Verlust der existenziellen Bedrohung der NATO-Staaten durch die Panzerarmeen des Warschauer Paktes sowie die zeitgleich entstehenden neuen weltweiten Friedensrisiken haben der NATO seit 1989 eine völlig andere Ausrichtung gegeben. Die Verantwortung für die Führung der Einsätze internationaler Streitkräfte in Bosnien-Herzegowina seit 1995, im Kosovo seit 1999 und seit August 2003 auch in Afghanistan ist ein deutliches Zeichen dieses Wandels von einem reinen Verteidigungsbündnis zu einer Organisation, die zu einem wirkungsvollen Beitrag zur Konflikt- und Krisenbewältigung unter einem UN-Mandat bereit ist. Aus diesen Selbstverständnis heraus ist ein Einsatz im Irak nach Vorliegen eines UN-Mandats nur logisch. Farwick erkennt aber auch Risiken dieser Neuorientierung. Zum einen ist dies eine schnellere Bereitschaft der Politiker, Soldaten zur Konfliktbewältigung einzusetzen, was sich gerade in den Anforderungen an die Bundeswehr in den letzten fünf Jahren besonders verdeutlicht. Zum anderen sieht er eine zunehmende Gefahr der Vernachlässigung der eigenen Verteidigungsanstrengungen.

Neue Erweiterungsrunde

Die zweite Herausforderung, der sich das Bündnis zu stellen hat, ist eine neue Erweiterungsrunde. Weniger spektakulär als die EU, aber um einen Monat, früher wird die NATO am 2. April weitere sieben neue Mitglieder aufnehmen. Sie wird dann nach dem Beitritt von Polen, Tschechien und Ungarn im Jahre 1999 insgesamt 26 Staaten im Bündnis vereinen. Obwohl auch diese neue Beitrittswelle ein Ausdruck einer ungebrochenen politischen Attraktivität des Bündnisses sei, werden, wie schon davor, die neuen Mitglieder zum Teil andere Erwartungen und politische Zielsetzungen einbringen. So habe der Beitritt ehemaliger Ostblockstaaten zunehmend die Absicht erkennen lassen, dass mit dem NATO-Beitritt vorrangig das Ziel einer engeren Anbindung an die USA verfolgt worden war. Zudem könne durch die Erweiterung die gewünschte Verbesserung in der Zusammenarbeit mit Russland erneut beeinträchtigt werden. Hier mahnte Farwick eine differenziertere und sensiblere Erweiterungspolitik an, als dies bislang gezeigt wurde.

Nationale Abhängigkeiten

Die NATO kann nur das umsetzen, was ihr die Mitgliedsstaaten zubilligen. Angesichts einer Reduzierung des Streitkräfte um 50% seit 1989 und der Halbierung der Verteidigungshaushalte in einem Grossteil der Mitgliedsstaaten mache die NATO den Eindruck eines Sportverbandes. Nur die USA seien reif für die Champions League, Großbritannien gerade mal zweite Bundesliga, der Rest Landesliga und Kreisklasse. Dabei werden die Unterschiede sich vertiefen, mit zunehmenden Problemen im Zusammenwirken bei gemeinsamen Einsätzen. Die Chancen zur Kostenreduzierung, die sich im Bündnis durch Aufgabenabstimmungen ergeben, seien bislang wegen der mangelnden Bereitschaft zum Verzicht auf nationale Souveränität kaum genutzt worden. Wozu brauchen alle Ostseeanrainerstaaten der NATO eine eigene Marine, warum kaufen kleine Mitgliedsstaaten söndhaft teure Flugzeuge? Die NATO hat in den vergangenen zehn Jahren eine neue Chance erhalten. Von einer Insel der Stabilität kann sie Sicherheit nach außen bringen.

Zeitungsbericht

Weltkarte Auditorium Brigadegeneral Farwick
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