06.04.2005

„Wem gehört Kirkuk?” - Perser, Türken, Araber und Kurden in Geschichte und Gegenwart

Vortragene(r):

Eberhard Möschel

Oberst a.D.

Ort: Offizierheim, Graf-Stauffenberg-Kaserne, Sigmaringen

„Wem gehört Kirkuk?”

Sigmaringen (pew) - Das Denken in historischen Dimensionen ist unerlässlich, will man die aktuellen Probleme in Nahen und Mittleren Osten verstehen und politisch lösen. So das Fazit eines Vortrags, zu dem die Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik, zusammen mit dem Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr in das Offizierheim eingeladen hatten.

Vor rund 80 Zuhörern bekundete der Referent, Oberst a.D. Eberhard Möschel, seine Überzeugung, dass nur unter Berücksichtigung der historisch gewachsenen ethnischen und religiösen Unterschiede sich dauerhaft tragfähige politische Strukturen in den Ländern der Region finden und damit jahrzehntelange Spannungen und offene Konflikte beenden lassen.

Möschel, der während seiner Laufbahn als Luftwaffenoffizier fünf Jahre als Militärattaché an der Deutschen Botschaft in Kairo eingesetzt war und sich durch zahlreiche Reisen in Jordanien, Israel, dem Libanon, Syrien und der Törkei ein eigenes Bild von der Mentalität der Menschen und ihrem historisch geprägten Bewusstsein machen konnte, ist der Überzeugung, dass viele Fehler der kolonialen und nachkolonialen Zeit des 19. und 20. Jahrhunderts hätten vermieden werden können, wenn die damals Verantwortlichen bei ihren Entscheidungen die historischen Bedingungen besser berücksichtigt hätten.

Die heutige politische Klasse in Europa und den USA kann nicht umhin, dies zu beherzigen, will sie langfristigen Einfluss in dieser für die Erdölversorgung wichtigen Region gewinnen und die durch einen möglichen EU Beitritt der Türkei unmittelbare Nachbarschaft positiv beeinflussen.

Dem Gelingen des staatlichen Wiederaufbaus des Irak fällt eine exemplarische Bedeutung für die gesamte Region zu. Im Irak, der Brücke zwischen Europa, dem Nahen Osten und Saudi-Arabien und Südasien, muss sich beweisen, dass die Prinzipien der Demokratie stark genug sind, die multiethnischen und multireligiösen Unterschiede zusammenzubringen. Gelingt dies nicht, wird die Erosion der Staaten in der Region und das Wiederaufbrechen alter Konflikte fortschreiten.

Kirkuk, heute eine 800.000 Einwohner Stadt im Norden des Irak, ist ein Prüfstein für die Gestaltung der Zukunft. Die heftigen Reaktionen der türkischen Regierung auf die Rückansiedlung vertriebener Kurden in der Stadt sind ein Beispiel für nach unseren Maßstäben unverständliche Empfindlichkeiten und Ängste in der Region. Der Erfolg europäischer und amerikanischer Politik kann nur gemeinsam mit den Betroffenen erzielt werden. Dazu ist es aber auch Voraussetzung, dass sich unsere Politik nicht ausschließlich nach eigenen Maßstäben und Interessen ausrichtet, sondern die manchmal zutiefst unterschiedlichen, oft historisch begründeten Anschauungen der Betroffenen umfassend berücksichtigt.

Zeitungsbericht

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