09.05.2006

„Erfahrungen im Kosovo” - Deputy Commander HQ KFOR Pristina

Vortragene(r):

Wolfgang Kopp

Brigadegeneral

Stellvertretender Kommandeur der 10. Panzerdivision und Kommandeur Divisionstruppen

Ort: Gemeindehaus „Schwarzer Ritter”, St. Fidelis, Sigmaringen

Die Zukunft des Kosovo

Über die aktuelle Lage und über Perspektiven für die Zukunft des Kosovo referierte Brigadegeneral Wolfgang Kopp vor rund 80 Zuhörern der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik in Sigmaringen. Kopp war es vergönnt, ein Jahr lang als stellvertretender Befehlshaber der multinationalen Truppe KFOR in Pristina persönliche Erfahrungen nicht nur aus militärischer Sicht zu sammeln, sondern auch insbesondere an den Nahtstellen von KFOR zur internationalen wie auch der kosovarischen Politik. Sein allgemeines Fazit lautet: Die Lage ist stabil, aber zerbrechlich. Gefahren für die Weiterentwicklung der Gesellschaft zu mehr Demokratie und politischer Handlungsfähigkeit sieht Kopp sowohl in den derzeit politisch Handelnden als auch in der sozialen Lage eines Großteils der Bevölkerung.

Die politischen Gegebenheiten. Die althergebrachten Klanstrukturen spiegeln die Parteienlandschaft im Kosovo wider und sind vorrangig für die über die Parteien in die Politik eingebrachten Individualinteressen der politisch Führenden verantwortlich. Dabei ist die Tendenz, möglichst viele Posten und Ämter mit eigenen Leuten zu besetzen, deutlich abzulesen. Dass dabei einzelne Klans offensichtlich auch in das organisierte Verbrechen eingebunden sind, macht die Politik nicht glaubwürdiger. Die daraus resultierende Rivalität führt zu Misstrauen, mangelnder Kompromissbereitschaft und zur Radikalisierung zwischen den gewählten politischen Parteien. Dazu kommt der unverändert schwelende Konflikt zwischen den unterschiedlichen Volksgruppen, vorrangig zwischen den Kosovoalbanern und den Serben. Die gegenüber den internationalen Institutionen geäußerten Bekenntnisse zum multiethnischen Ausgleich sind oft nur vordergründig. Kopp stellt deshalb ernüchternd fest, dass es ohne Kontrolle von außen auf absehbare Zeit kein stabiles und handlungsfähiges politisches Modell geben wird und dass die internationale Unterstützung zur Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft als Langzeitaufgabe bestehen bleiben wird. Lediglich in der Forderung nach staatlicher Unabhängigkeit von Serbien wissen sich die kosovoalbanischen Parteien einig und halten ihre Anhänger zur Zeit still, um die laufenden Verhandlungen nicht zu gefährden.

Der wirtschaftliche und soziale Sprengstoff. Die soziale Situation ist auch nach beinahe sechs Jahren des internationalen Mandats wenig zukunftsweisend. Die mit durchschnittlich zweiundzwanzig Jahren auffällig junge Bevölkerung steht mit schlechten Ausbildungsqualifikationen einer 50%igen Arbeitslosigkeit gegenüber. Der Durchschnittsverdienst von monatlich 200€ macht abhängig von internationaler Hilfe und von Auslandsüberweisungen von Familienangehörigen. Die als internationale Forderung formulierte Rückkehrerpolitik von Vertriebenen und Flüchtlingen wird in dieser sozialen Situation als zusätzliche Konkurrenz wahrgenommen und nicht akzeptiert. Brigadegeneral Kopp fordert deshalb, die vorhandenen Potentiale wie den Kohleabbau, die Landwirtschaft und das Handwerk gezielt zu fördern und für die Produkte eine europäische Absatzchance zu schaffen. Auch in der Visumspolitik zur Ausbildung junger geeigneter Kosovaren sind seitens der Unterstützerländer Änderungen dringend erforderlich. Es genügt nicht allein, Geld, Sicherheit und Verwaltungsstrukturen bereitzustellen und dann eine Käseglocke darüber zu stülpen. Gerade fär junge Leute ist es wichtig, um Perspektivlosigkeit einzudämmen, Chancen für eine persönliche Entwicklung auch außerhalb des Kosovo anzubieten. Patenschaften mit verschiedenen Organisationen können, wenn sie nachhaltig betrieben werden, hilfreich sein.

Schlussfolgernd fordert Kopp eine aktivere und richtunggebende Entwicklungspolitik, die nicht nur kurzfristig nach Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen wirkt, sondern orientiert an definierten Zwischenschritten sich langfristig um eine stetige Verbesserung der Situation kümmert.

Bericht von OTL a.D. Peter Wotzniak

Vorstellung Brigadegeneral Kopp Oberstabsfeldwebel Tritschler
BG Kopp stellt sich vor. BG Kopp beim Vortrag Unterstützt wurde BG Kopp von Oberstabsfeldwebel Tritschler.
Auditorium, links Auditorium, rechts
Aufmerksame Zuhörer Aufmerksame Zuhörer